Kulturverein österreichischer Roma Dokumentations- und Informationszentrum

Lackenbach: Gedenken beim Mahnmal für Roma und Sinti

Politiker*innen aus Bund und Land, Vertreter*innen der Roma-Organisationen, der Diplomatie sowie Opferverbänden gedachten am 12. November 2022 beim Roma-Mahnmal der ermordeten Roma und Sinti während der nationalsozialistischen Herrschaft.

Roma-Kinder und Roma-Jugendliche der Lernbetreuung Verein Roma-Service mit Nationalratspräsident Mag. Wolfgang Sobotka (3. v.r.), Christian Klippl (2. v.r.) und Emmerich Gärtner-Horvath (1. v.r.), hintere Reihe

Roma-Kinder und Roma-Jugendliche der Lernbetreuung Verein Roma-Service mit Nationalratspräsident Mag. Wolfgang Sobotka (3. v.r.), Christian Klippl (2. v.r.) und Emmerich Gärtner-Horvath (1. v.r.), hintere Reihe

Begrüßt wurden die Gedenkteilnehmer*innen an dem sonnigen, lauen Samstagvormittag vom Lackenbacher Bürgermeister Christian Weninger. Er erwähnte, dass die Gemeinde heuer 800 Jahre erste urkundliche Erwähnung feiert und ein nicht unwesentlicher Teil der Gemeindegeschichte das Schicksal der Roma und Sinti einnimmt. 

Kranznierderlegung: NR-Präsident Sobotka, Christian Klippl, Landtagspräsidentin Verena Dunst (1. Reihe, v.l.), Vertreter*innen der Roma-Organisationen und Ehrengäste.

Sobotka: Nachwievor negative Haltung gegenüber Roma
Nationalratspräsident Mag. Wolfgang Sobotka sprach in seiner Rede darüber, dass nach Ende des zweiten Weltkrieges bis hin zur Gegenwart gegenüber Roma und Sinti nach wie vor eine negative Haltung eingenommen wird. „Es gibt so viele Menschen die noch nie in ihrem Leben einer Romnja oder Rom begegnet sind und trotzdem eine antiziganistische Einstellung haben, weil sie in einer negativen Kulturhaltung seit Jahrhunderten gepflogen wurde.“ Leider, so Sobotka, muss er feststellen, dass die negative Haltung gegenüber den Roma in Österreich und Europa heutzutage wieder zunimmt. Für den Parlamentsvorsitzenden ist klar, dass dies nicht eine Erscheinung des gesellschaftlichen Randes sei sondern aus der Mitte der Gesellschaft kommt, aber nur an den Rändern sichtbar wird. Welche Schritte kann das Parlament dagegen setzen, das nicht im operativen tätig ist? Sein Ansatz ist, jungen Menschen durch Bildung zu begleiten. „Aus einer Studie die das österreichische Parlament macht, so Sobotka, wissen wir das gebildete junge Menschen weniger antiziganistisch und weniger antisemitisch sind."

Gleichstellung der Roma in Europa
Zur Benachteiligung und Diskriminierung der Roma in Europa nahm der Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma, Christian Klippl, in seiner Ansprache Stellung. Er betonte, dass trotz des strategischen Rahmens der EU zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe der Roma die soziale Benachteiligung seiner Volksgruppenangehörigen in Europa noch immer sichtbar vorhanden sei. Ein im Oktober dieses Jahres veröffentlichter Bericht der EU-Grundrechte Agentur zeigt auf, dass 80 Prozent der Roma in der EU in Armut leben und ein deutlicher Unterschied bei der Lebenserwartung zwischen ihnen und der allgemeinen Bevölkerung besteht.

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Burgenländischer Weg
Die burgenländische Landtagspräsidentin Verena Dunst nahm in ihrer Rede Bezug darauf, wie das jüngste österreichische Bundesland mit der Vergangenheitsbewältigung umgeht. Es wurde viel im Bereich der Gedenkkultur unternommen, aber sich auch lange mit der Aufarbeitung der NS-Geschichte Zeit gelassen. Sie thematisierte den Umgang der Volksgruppen im Burgenland und meinte: „Wir tun vieles im Burgenland, da ist auch der burgenländische Landtag gefordert, dass den Volksgruppen die notwendige Aufmerksamkeit und Unterstützung wiederfährt.“

Grußworte von Van der Bellen
Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen übermittelte Grußworte, die vom Vorsitzenden des Volksgruppenbeirates der Roma, Emmerich Gärtner-Horvath, vorgelesen wurden. Das österreichische Staatsoberhaupt erinnerte wie wichtig es sei, das schrecklichste Verbrechen der Menschheitsgeschichte wach zu halten: „Das schulden wir den Opfern. Das schulden wir all jenen Roma und Sinti, die überlebten und ihren Nachkommen.“

Schüler*innen der 6B BORG Oberpullendorf

Schüleri*nnen der 6B des Gymnasiums in Oberpullendorf sowie die Roma-Jugend der Lernbetreuung des Verein Roma-Service leisteten mit ihren Reden, Plakaten und Choreografie einen wichtigen Beitrag für ein würdiges Gedenken in Erinnerung an die NS-Opfer. Die 14-jährige Romni Alysea Nardai und der 17-jährige Rom Elias Gärtner-Horvath trugen ihre Gedanken zur Geschichte ihrer Volksgruppe vor. Sie gingen auch in ihrer Rede auf den Ukraine-Krieg ein, und was das für sie als Teenager mit ihrer Gefühlswelt ausmacht. Alysea: „Am meisten belastet mich, dass ich Krieg miterleben muss. Zwar nicht direkt vor meinen Augen, aber nicht weit weg“. Für Elias sei es unbegreiflich, dass es im Jahr 2022 nicht möglich ist, als zivilisierte Menschen in Frieden zusammen zu leben. „Ich wünsche mir, dass sich jeder am Riemen reißt und etwas für die Zukunft tut, denn ich möchte auf dieser Welt alt werden.“

Ökumenisches Gebet
Um die Sprache „Romanes“ auch hörbar zu machen, sprach die Leiterin der Roma-Pastorale, Manuela Horvath, das „Gegrüßet seist du Maria“ im Rahmen des Ökumenischen Gebets. Geistlichen Beistand erhielt die Oberwarter Romni vom Roma-Seelsorger Pfarrer Mag. Matthias Platzer, dem Evangelische Superintendenten Dr. Robert Jonischkeit sowie vom Lackenbacher Pfarrer Mag. Michael Shinto Varghese.

Die von der Burgenländischen Landesregierung, vom Kulturverein österreichischer Roma und der Gemeinde Lackenbach organisierte Gedenkveranstaltung findet seit 1990 alljährlich im November statt.


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