Kulturverein österreichischer Roma Dokumentations- und Informationszentrum

Lackenbach: Gedenken beim Mahnmal für Roma und Sinti

In der mittelburgenländischen Gemeinde Lackenbach (Bezirk Oberpullendorf) erinnert seit dem Jahr 1984 ein Mahnmal an das furchtbare Schicksal, das die Roma und Sinti unter der Nazi-Herrschaft in Österreich erlitten. Am Samstag, 18. November 2023 fand an diesem Ort die alljährliche Gedenkveranstaltung mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Kirche, Diplomatie, Exekutive, Bundesheer, Roma-Organisationen und den anderen autochthonen Volksgruppen statt.
Begrüßt wurden die Gedenkteilnehmerinnen und -teilnehmer an dem sonnigen und windböigen Samstagvormittag vom Lackenbacher Bürgermeister Christian Weninger.

Kranzniederlegung: Landesrat Heinrich Dorner, Christian Klippl, Landtagspräsident Robert Hergovich, 2. Landtagspräsident Walter Temmel, NR-Abg. Nikolaus Berlakovich, Manuela Horvath, LAbg. Patrik Fazekas, Emmerich Gärtner-Horvath, Martin Horvath (v.l.).

Kranzniederlegung: Landesrat Heinrich Dorner, Christian Klippl, Landtagspräsident Robert Hergovich, 2. Landtagspräsident Walter Temmel, NR-Abg. Nikolaus Berlakovich, Manuela Horvath, LAbg. Patrik Fazekas, Emmerich Gärtner-Horvath, Martin Horvath (v.l.).

Schülerinnen und Schüler der 7c BORG Oberpullendorf

Alysea Nardai

Neben den Schülerinnen und Schüler der 7c des Gymnasiums Oberpullendorf setzte sich die 15-jährige Romni und Schülerin der Bildungsanstalt für Elemanterpädagogik Oberwart Alysea Nardai mit dem Thema Lackenbach, Anerkennung und Aktivismus setzte sich in ihrem Redebeitrag auseinander. Sehr oft denkt sie an die systematische Ermordung ihrer Vorfahren durch die Nationalsozialisten, und dass, obwohl es so viele Jahre her ist. Ebenso kreisen ihre Gedanken was dazu führt, dass die Menschheit Kriege führt. „Die Wahrheit ist, Krieg, Gier, Hass und Rassismus wird nie ein Ende haben. Es wird immer Menschen geben, die mit sich unzufrieden sind und deren einziger Gedanke sei, andere sich dafür schlecht zu füllen.“ Mit einem Beispiel aus dem Lebensmittelbereich erklärte Alysea den kleinen aber feinen Unterschied des Andersein und möchte damit engstirnigen fremdenfeindlichen Menschen entgegentreten. „Schlägt man ein weißes und ein braunes Ei auf, befinden sich in beiden Eiern der gleiche Inhalt – ein Eigelb und ein Eiweiß, egal welche Farbe die Schale hat. Genauso ist es bei uns Menschen. Wir bestehen aus Fleisch und Blut und bedeutet Mensch ist Mensch und wird immer Mensch bleiben.“

30 Jahre Roma-Volksgruppe
Christian Klippl
, Obmann des Kulturverein österreichischer Roma, sagte in seiner Rede, dass Geschichte und Erinnerungskultur immer damit zu tun haben, den Opfern eine Stimme zu geben und Anerkennung zu schaffen. Der Kern seiner Ansprache galt der Anerkennung der Roma als sechste österreichische Volksgruppe vor 30 Jahren, im Dezember 1993; „Durch die Anerkennung trat in Österreich eine Wende im Leben der Roma dar.“ Klippl zog eine Bilanz dieser drei Jahrzehnte und wie es sich auf die Volksgruppe auswirkte. "Durch die entschlossen und effiziente Arbeit der etablierten Roma-Organisationen konnte eine Verbesserung der gesellschaftlichen, politischen und sozialen Lebenssituation erzielt werden,“ Seine Gedanken galten dem Vereinsgründer des Kulturverein österreichischer Roma und Obmann Prof. Rudolf Sarközi der stets als die treibende Kraft zur Anerkennung bezeichnet wird und der im Lager Lackenbach im November 1944 geboren wurde. „Gemeinsam mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus der Volksgruppe, aber auch nicht-Volksgruppenangehörige, konnte er erfolgreich das Ziel der Anerkennung umsetzen.“

Friedliches Miteinander
Nationalratsabgeordneter und ÖVP-Volksgruppensprecher DI Niki Berlakovich hob in seiner Rede, die Wichtigkeit der Gedenkveranstaltung in Lackenbach hervor. Er stellte in seiner Rede das Friedensprojekt EU in den Mittelpunkt und verwies auf die Bedeutsamkeit des friedlichen Miteinanders. Der Politiker erwähnte den Krieg in der Ukraine sowie den Nahost-Konflikt: „Das erste was bei einem Krieg verloren geht ist die Menschlichkeit und die Würde des Menschen wird verletzt.“ Rassismus, Antisemitismus und Roma-Feindlichkeit wieder stärker und dagegen muss die Gesellschaft auftreten. „Die Freiheit ist in einer Demokratie das höchste Gut“, appellierte Berlakovich.

Demokratie stärken
Der burgenländische erste Landtagspräsident Robert Hergovich, dankte den Schülerinnen und Schüler des BORG Oberpullendorf für deren Beitrag. Er halte es für wichtig, dass es in den Schulen eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit gibt. „Es ist die Voraussetzung dafür, dass nicht vergessen wird und die Erinnerung wach und präsent bleibt.“ Hergovich sprach das Attentat von Oberwart im Februar 1995 an, wo vier Roma-Männer getötet wurden und zeigte auf, wohin Rassismus führen kann. Der Schutz und Stärkung der Demokratie sei für den Landtagspräsidenten persönlich ein ganz wichtiges Ziel seiner politischen Arbeit. Denn der Blick in andere Länder, so Hergovich, zeigt, dass Demokratie ein sehr fragiles Konstrukt ist. „Wo Demokratie abgebaut wird, steht es auch schlecht um Minderheiten und es herrscht Intoleranz.“ Abschließend dankte er allen, die sich dafür einsetzen, dass sich die Lebenssituation der Roma in Österreich, im Burgenland, verbessert werden. „Arbeiten wir weiterhin, auch im Gedanken an die NS-Opfer, am Modell der Vielfalt sowie des friedlichen und menschlichen Miteinanders.“

Superintendent Robert Jonischkeit (Mikrofon), Matthias Platzer, Pfarrer Michael Shinto Varghese, Romapastoralleiterin Manuela Horvath (dahinter von l.).

Ökumenisches Gebet
Um die Sprache „Romanes“ auch hörbar zu machen, sprach die Leiterin der Roma-Pastorale, Manuela Horvath, das „Gegrüßet seist du Maria“ im Rahmen des Ökumenischen Gebets. Geistlichen Beistand erhielt die Oberwarter Romni vom Roma-Seelsorger Pfarrer Mag. Matthias Platzer, dem Evangelische Superintendenten Dr. Robert Jonischkeit sowie vom Lackenbacher Pfarrer Mag. Michael Shinto Varghese.

Am 23. November 1940 wurde in einem ehemaligen Gutshof das „Zigeunerlager“ Lackenbach eingerichtet. Die internierten „Zigeuner“ lebten in Ställen und Scheunen unter primitivsten Bedingungen und mussten Zwangsarbeit leisten. 2.000 von den insgesamt 4.000 im Lager internierten Roma und Sinti wurden im Herbst 1941 in das Ghetto Lodz/Litzmannsdorf und von dort später ins Vernichtungslager Kulmhof/Chelmno deportiert und ermordet. 300 bis 400 Häftlinge erlebten im April 1945 die Befreiung durch die sowjetischen Soldaten.

Aufgrund der Initiative der burgenländischen Landesregierung und der österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz wurde am 6. Oktober 1984 das Mahnmal in Lackenbach vom damaligen Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger enthüllt.

Die von der Burgenländischen Landesregierung, vom Kulturverein österreichischer Roma und der Gemeinde Lackenbach organisierte Gedenkveranstaltung findet seit 1990 alljährlich im November statt.

Videolink: https://youtu.be/74d2NNbemLo



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